Salzburg

Paradox der Moderne: Warum uns digitale Vernetzung einsamer macht

todayJuni 25, 2025 7

Hintergrund
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Internationaler Kongress in Salzburg diskutiert über wachsende Isolation trotz technologischer Verbundenheit

Salzburg – Die Ironie unserer Zeit zeigt sich in nackten Zahlen: Während Milliarden Menschen über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste und Apps miteinander verbunden sind, steigt paradoxerweise das Gefühl der Einsamkeit weltweit an. Dieses gesellschaftliche Phänomen stand drei Tage lang im Mittelpunkt des internationalen Kongresses der European Association of Schools of Social Work (EASSW) an der Fachhochschule Salzburg.

400 Fachkräfte aus 50 Ländern versammelten sich, um über eine der drängendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu diskutieren. Die Diagnose ist eindeutig: Trotz nie dagewesener technischer Möglichkeiten zur Kommunikation nimmt die gefühlte Isolation in allen Altersgruppen zu.

Wenn Technologie soziale Nähe verspricht, aber Distanz schafft

„Digitale Konzerne bewerben ihre Produkte mit Versprechen grenzenloser Verbundenheit“, erklärt Christos Panagiotopoulos, Präsident der EASSW. „Doch die Realität zeigt oft das Gegenteil: Diese Technologien erzeugen Distanz und verstärken Einsamkeitsgefühle.“ Besonders junge Menschen seien betroffen, da digitale Interaktionen zunehmend echte soziale Kontakte ersetzen würden.

Daniela Molzbichler, Leiterin der Abteilung Angewandte Sozialwissenschaften an der FH Salzburg, sieht darin ein fundamentales gesellschaftliches Problem: „Die traditionelle Verbundenheit in der Gesellschaft geht verloren. Wir beobachten dies länderübergreifend als zentrale Herausforderung.“

Salzburg als Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen

Die Auswirkungen dieser Entwicklung werden auch in Salzburg konkret spürbar. Andreas Zwettler, Koordinator der städtischen Bewohnerservicestellen, berichtet von steigenden Zahlen hilfesuchender Menschen aller Altersgruppen. „Unsere Gesellschaft wird mobiler, traditionelle Familienstrukturen lösen sich auf“, analysiert Zwettler. „Dadurch gehen soziale Verbindungen schneller verloren, und Menschen finden sich isoliert wieder.“

Besonders dramatisch zeigt sich die Problematik bei älteren Menschen. Sie haben oft den Anschluss an die digitale Entwicklung verloren und fühlen sich von einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft abgehängt. Hohe Hemmschwellen beim Umgang mit neuen Technologien verstärken ihre Isolation zusätzlich.

Soziale Arbeit im digitalen Wandel

Die Erkenntnisse des Kongresses führen zu konkreten Konsequenzen: Die Soziale Arbeit muss sich den neuen Herausforderungen stellen und ihre Methoden entsprechend anpassen. Die FH Salzburg reagiert bereits mit einem neuen Studienschwerpunkt „Digitale Soziale Arbeit“, der ab dem kommenden Wintersemester angeboten wird.

Dieser Ansatz erkennt eine zentrale Wahrheit an: Technologie ist nicht per se problematisch, aber ihr Einsatz muss bewusst und reflektiert erfolgen. Die Aufgabe der Sozialarbeit besteht darin, Menschen dabei zu unterstützen, trotz oder gerade wegen der Digitalisierung echte menschliche Verbindungen aufzubauen und zu pflegen.

Das Salzburger Beispiel zeigt: Dort wo Bewohnerservicestellen aktiv werden und „wieder etwas auffangen“, können verloren gegangene Verbindungen neu geknüpft werden. Es ist ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der die Sehnsucht nach echter Verbundenheit wächst – während die Mittel dazu immer vielfältiger, aber auch oberflächlicher werden.


Quelle: salzburg.ORF.at / Redaktionell Bearbeitet durch SBG EINS (J.Eder)

Geschrieben von: Jonas Eder

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